Das Leben auf einer Pionierwelt

Den Ersten den Tod - den Zweiten die Not - den Dritten das Brot - Pionierweisheit

Das Leben auf einer Pionierwelt ist oftmals rauh und entbehrungsreich. Dinge die andernorts gewöhnlich erscheinen, sind an diesen Orten bestenfalls seltener Luxus. Raumlifte und Orbitalstationen als Verbindung zum Weltraum gibt es praktisch nicht - im Gegenteil: ein Orbitalaufzug ist ein mehr als deutliches Zeichen dafür, dass man sich auf einer etablierten Kolonie befindet.

Der Koloniesierungsprozess eines Planeten, beginnt zumeist von einem ersten Landepunkt. Die daran anschließende Siedlung, ist über Jahre zumeist der Dreh- und Angelpunkt für eine ganze Welt.

Natürlich beziehen sich die Beschreibungen in diesem Text vornehmlich auf freie Kolonien. Steht eines der großen Häuser oder eine andere wichtige Macht hinter dem Projekt, stehen oft zusätzliche Resourcen zur Verfügung. Doch auch für diese Pioniere ist das Leben kein Zuckerschlecken.

1. Vor der Ankunft

Endlos ist das Universum und voller Wunder. Und so liegen jenseits der Sternensysteme, die durch das Netzwerk der alten Tore verbunden sind, noch viele weitere - oft nur wenige Sprünge von den besiedelten Welten entfernt.

Um diese Sonnen kreisen oftmals nicht nur tote Felsbrocken oder lebensfeindliche Gasriesen, sondern auch Welten mit stabiler Biosphäre. Die meisten dieser Welten ohne eine dominante intelligente Spezies. Perfekte Kandidaten für eine Kolonisierung.

Exploratoren haben die Aufgabe, derartige potentielle Koloniewelten aufzuspüren. Am Anfang stehen Scanneraufnahmen, Gasproben und Bodenproben.
Man kann aus diesen Informationen viel herauslesen - etwa ob sich Bergbau auf der Welt lohnt, ob die Chance besteht seltene und wertvolle Substanzen zu finden, oder ob es Reste alter Kulturen gibt. Die Welt an sich ist allerdings - bis auf die Kontinentalumrisse und halbwegs passable Satelitenkarten - praktisch unerforscht.

In einem ersten Schritt entsendet eine Kolonisierungsexpedition üblicherweise ein kleines Vorrauskommando von erfahrenen Geowissenschaftlern, Biologen und Technikern. Erst wenn feststeht, dass die Welt tatsächlich über geeignete Umweltbedingungen für eine dauerhafte Besiedlung verfügt, beginnt die zweite Phase.

2. Die ersten Jahre

Der Unterschied zwischen einer Kolonie und einer zeitweiligen Niederlassung liegt klar auf der Hand. Die Pioniere kommen mit dem festen Willen, die Welt zu ihrer neuen Heimat zu machen und vermutlich den Rest ihres Lebens dort zu verbringen.

Eine Welt die nicht nur ihnen, sondern auch ihren Kindern und Enkeln eine fruchtbare und lebenswerte Heimat werden soll.

Das Kolonieschiff - seltener einer Flotte - landet an der Stelle, die vom Vorabkommando als bestgeeignet festgelegt wurde. Sofern es die klimatischen Bedinungen der Welt zulassen, liegt diese erste Ansiedlung am Äquator, im Hinblick auf die Möglichkeit dort irgendwann einen Raumlift zu bauen.

Der erste Akt zur Gründung einer neuen Kolonie läutet gleichzeitig den Tod des Transportschiffes ein. Es wird komplett ausgeschlachtet und zerlegt und neben den Tonnen von Ausrüstung zum Aufbau der ersten Behausungen und Arbeitsstätten benötigt. Dieser notwendige Schritt hat neben den praktischen Apsekten auch noch einen starken moralischen Einfluss: Man bricht buchstäblich jede Möglichkeit ab, die Welt im Falle eines Scheiterns wieder zu verlassen.

Natürlich werden auch neue Kolonien, gelegentlich von Frachtern angeflogen. Die Wahrscheinlichkeit, dass bei einer größeren Katastrophe alle Siedler evakuiert werden können, ist allerdings eher gering. Das Bewustsein, dass ein Fehler den Tod der gesammten Pioniergruppe bedeuten würde, begleitet diese ersten Siedler noch über Jahre.

Die ersten Bauten stehen - meist sind es Containerunterkünfte und Metallgebäude - untereinander durch Gänge und Keller verbunden. Meist umgeben von einer Wallanlage. Denn auf Welten, die gute Bedingungen für das Überleben von menschlichen Siedlern bieten, gibt es eben bereits eine Biosphäre. Auch wenn man üblicherweise nicht auf Welten siedelt, die bereits eine höher entwickelte endemische Kultur haben, kann die einheimische Flora und Fauna für die Siedler unangenehme Überraschungen parat haben.

Nahrungsmittelvorräte sind meist genauso begrenzt wie alle andere Ausrüstung. Jeder Kubikzentimeter des Kolonieschiffes wurde voll ausgenutzt - doch selbst das ist immer nur ein Anschub. Daher sind die ersten Bemühungen, dem Boden essbare Pflanzen abzuringen, die Hefekulturen zum Laufen zu bringen und alles in allem aus dem Landen ein Überleben zu machen.

Gleichzeitig streben Aufklärer in alle Richtungen um die junge Kolonie herum aus. Auf der Suche nach Gefahren und Resourcen. Die Daten, die im Vorfeld erhoben wurden sind oft grob und nicht besonders genau. Das ist die Aufgabe jener tapferen Frauen und Männer, die sich entschließen einen Planeten zu ihrer neuen Heimat zu erklären.

Eine dritte Gruppe von Pionieren ist für den Ausbau der Station zuständig. Je nach Rohstoffen kann man bereits beginnen kleine Verhüttungsanlagen zu errichten, Solarkraftwerke aufzustellen und Agrarland außerhalb der Station nutzbar zu machen.

Die ganze Zeit ist Verletzung und Tod ein Begleiter der Pioniere. Egal was passiert, die Leute sind in der Regel auf sich alleine gestellt. Verletzungen und Krankheiten müssen mit den Mitteln behandelt werden, die vor Ort verfügbar sind. Und wie alles auf einer Pionierwelt sind die Vorräte knapp bemessen. So geschieht es oft genug, dass Leute weitab ihrer Station in der Wildnis der ungezähmten Welt ihr Ende finden. Selbst Farmer und Bauarbeiter in den kleinen Niederlassungen erliegen Krankheiten oder Wunden, die auf einer größeren Kolonie keine große Bedrohung darstellen würden.

Für einen Händler ist der Besuch auf einer Pionierwelt stets ein zweischneidiges Schwert. Auf der einen Seite benötigen Pioniere praktisch alles, von Nahrungsrationen über medizinische Produkte bis hin zu Werkzeug und Batterien. Auf der anderen Seite haben gerade Bewohner einer Kolonie in den ersten Jahren nach der Gründung - wenn sie nicht gerade auf einem wertvollen Rohstoffdepot sitzen, Edelholz in der Nähe haben oder bereits überschüssige brauchbare Pflanzen produzieren - wenig zu bieten. Natürlich kann man, mit einem gewissen Maß an Skrupellosigkeit, auch hier blendende Geschäfte machen. Wird die Gier allerdings zu groß, kommt es durchaus vor, dass man am Rande eines namenlosen Waldes unter grobem Geröll verscharrt wird.
Für Abenteurer auf der Suche nach Ruinen, mag eine Pioniersiedlung ein geschätztes Basislager sein - ein Außenposten der Zivilisation. Nützliche Ware gegen reine Information ist ein weit besseres Geschäft für beide Seiten.

Egal was in der Zwischenzeit geschieht. Im Idealfall sind irgendwann Bauten für weitere Siedler errichtet, Arbeitsplätze und erste Rohstoffverarbeitungen geschaffen und der Grundstock für eine echte Kolonie gelegt. Dann wird es Zeit, Leute anzuwerben und das Projekt wachsen zu lassen.

3. Die zweite Welle

Die ersten Pioniere produzieren kaum mehr, als sie selbst zum Überleben benötigen. Die Verarbeitung lokaler Resourcen dient hauptsächlich dem Erhalt und Ausbau der Kolonie. Doch irgendwann wird klar, dass die Kolonie bestehen kann. Die Siedlung ist gesichert. Die umliegenden Felder produzieren genügend Nahrung, nicht nur für die ersten Bewohner, sondern auch für mehr. Händler und Frachterbesatzungen tragen die Informationen zu einer etablierten Siedlung weiter. Damit beginnt die zweite Welle. Siedler. Menschen und auch Vertreter anderer Spezies, auf der Suche nach einer neuen Heimat. Vielleicht sind sie nicht ganz so abenteuerlustig, wie jene, die als erste Pioniere eine neue Welt besuchen. Doch auch sie müssen hart im Nehmen sein, Entbehrungen hinnehmen und bereit sein hart für ihr Glück zu arbeiten.

Vom Luxus der Kernwelten und den Annehmlichkeiten und dem sicheren Leben, wie man es auf großen, jahrhundertealten Kolonien erwarten kann, ist man noch immer Generationen entfernt. Die ersten Gefahren sind überstanden, doch es droht nun neues Ungemach. Auf der Schwelle zwischen Pionierwelt erfolgreicher Kolonie, werden erste Handelswaren produziert und exportiert, Rohstoffe im ernsthaften Maßstab gefördert - kurz die Niederlassung wird reicher und wertvoller. Ist die Welt reich, setzt ein buchstäblicher Goldrausch ein, der schnell viele Leute anzieht. Neben hoffnungsvollen Glücksrittern leider auch skrupellose Banditen und Geschäftemacher. Die Geschichte lehrt, dass dieser zweite Schritt schon so mancher Kolonie das Genick gebrochen hat. Gerade Gesellschaftsexperimente - Religionsgemeinschaften, sozialistische und demokratische Gesellschaften - sie verkraften den plötzlichen Zuzug der neuen Siedler nicht und die zentralen Personen, die das Leben über Jahre in gefestigte Bahnen gelenkt haben, verlieren ihren Einfluss. Das Verbrechen nimmt Überhand. Gewaltexzesse prägen das Bild, die Gesellschaft bricht zusammen - die Kolonie scheitert.
Daneben lohnt es nun auch für Piraten und Plünderer, die junge, oft noch verletzliche Kolonie anzugreifen und zu plündern. Es kommt auch vor, dass eine größere lokale Macht oder eines der Adelshäuser, nach den ersten beschwerlichen Jahren in denen die Keimzelle einer Kolonie entstanden ist, beschließt, dass die Niederlassung nun interessant genug ist, sie zu übernehmen.

Gegen einige dieser Katastrophen hilft umsichtige Planung. Die Ausbildung und Ausrüstung von Sicherheitskräften, die richtigen Gesetze, soziale Planung. Gegen Angriffe von deutlich überlegenen Gegnern helfen Pakte mit örtlich etablierten Mächten, oder ein Anschluss an das Freie Siedlungsprojekt. Gegen andere Schicksalsschläge hilft einfach nur Glück.

Es ist Statistik: Jede dritte Pionierwelt übersteht die ersten fünf Jahre nicht. Und von den übrig bleibenden Welten schafft nur jede Zweite den Sprung zur erfolgreich etablierten Kolonie nach fünf Generationen. Kurz - nur drei von zehn hoffnungsvoll begonnenen Unternehmen schaffen es irgendwann eine der Grenzwelten zu werden. Ist die Welt natürlich interessant genug, kann es durchaus vorkommen, dass, nur wenige Jahre nach dem Scheitern einer Expedition, die Nächste ihr Glück versucht.



Letzte Änderung am 13.4.2014 um 16:58:15 Uhr von Eric