Der Tag des Zorns

1. Vorbereitungen

Die Jünger des Zürnenden Herrn hatten den Saturnmond Titan zu Beginn des 23. Jahrhunderts in Besitz genommen sich dort niedergelassen. Missionare traf man durchaus allenthalben in Raumstationen oder auch auf den anderen menschlichen Kolonien. Auf verschiedenen Frequenzbändern sendeten Sie religiöse Botschaften aus. Die meisten Menschen stempelten die religiösen Fanatiker einfach als Sonderlinge ab, falls man überhaupt einen Gedanken an sie verschwendeten.

Niemand kümmerte sich groß um die Aktivitäten dieser relativ kleinen Fraktion. Sie hielten sich aus den Machtspielchen der Royalen Häuser heraus, strebten auch nicht danach, weitere Kolonien in Besitz zu nehmen. Fragmentarische Geheimdienstberichte lassen vermuten, dass gegen Mitte des 27. Jahrhunderts - in den Jahren vor dem Tag des Zorns - vielleicht 25 Millionen Menschen auf Titan lebten. Ansonsten wusste man nur, dass sie durchaus wehrhafte Schiffe und planetare Verteidigungssysteme besaßen. Die Jünger waren keine Freunde von unangemeldeten Besuchern. Der wenige Handel - vornehmlich Erze und Gase gegen Luxusgüter wie Stoffe - wurde vornehmlich auf Raumstationen rund um die anderen Planeten abgewickelt.

Während der größte Teil der Menschheit damit beschäftigt war, einer goldenen Zukunft entgegen zu streben und die Planeten der nahegelegenen Sternensysteme in Besitz zu nehmen, verfolgten die Jünger des Herrn einen anderen, finsteren Plan.

Unter der Oberfläche des Titan, verborgen vor den neugierigen Augen der restlichen Menschheit, bauten sie eine Kriegsflotte, wie sie die Menschheit noch nicht gesehen hatte.

2. Auftakt

Am 22. Dezember des Jahres 2656 erhob sich die Armada der Jünger des Zürnenden Herrn aus der Atmosphäre des Saturnmondes. Sensorplattformen im gesamten Solsystem meldeten die Bilder und Daten der Flotte an die politischen und militärischen Führer der Menschheit. Gewaltige Explosionen erschütterten die Oberfläche des Titan. Die Jünger hatten ihre eigenen Kolonieeinrichtungen zerstört. Für sie gab es kein zurück. Innerhalb von Stunden war man sich sicher, dass das Ziel der Flotte die Erde war.

Auch wenn man über den genauen Plan der Jünger des Zürnenden Herrn zu diesem Zeitpunkt nur spekulieren konnte, war wohl jedem klar, dass diese nicht mit friedlichen Intentionen auf dem Weg nach Terra waren. Panik brach aus. Tausende von Schiffen verließen den Planeten und die Orbitalstationen mit Flüchtlingen, die nicht abwarten wollten, was passieren würde. Vom Mars, der Venus und den anderen Kolonien machten sich ebenfalls Schiffe auf den Weg Richtung Erde.

Sämtliche Kontaktversuche mit der Flotte wurden ignoriert. Die Erde verfügte nur über wenige orbitale Verteidigungssysteme. Die Royalen Häuser und die kleineren unabhängigen Fraktionen der Menschheit betrachteten den Planeten als neutralen Boden und niemand hatte in den vergangenen zweihundert Jahren auch nur laut darüber nachgedacht möglicherweise die Erde anzugreifen.

3. Das reinigende Feuer

Am 24. Dezember erreichte die Flotte den Orbit. Nur zwei der gewaltigen Kathedralenschiffe und einige kleinere Schiffe konnten von den Verteidigern außer Gefecht gesetzt werden. Die Armada der Jünger begann ihren verheerenden Angriff. Orbitalstationen mit hunderttausenden Flüchtlingen wurden ebenso zerstört, wie jegliche fliehende Schiffe, die nicht rechtzeitig außer Reichweite waren, gleiches galt für eintreffende Schiffe.

Schließlich begann die Bombardierung der Erde. In einem nuklearen Feuer von sechsunddreißigtausend Sprengköpfen vergingen Metropolregionen und kleine Dörfer rund um den Globus. Mit einem Schlag, einem einzigen unprovozierten Schlag, war fast die Hälfte des menschlichen Lebens im Universum ausgelöscht worden. Zusammen mit unwiderbringlichen Kulturschätzen aus den vergangenen Jahrtausenden.

4. Die Schlacht von Europa

Die Nachricht, dass die Jünger die Erde angegriffen und in Besitz genommen hatten, erreichte in kürzester Zeit die anderen Kolonien. Fortan sollte er den Namen 'Antiochia' tragen. Die Welt sollte dem Schreckgespenst dieser Wahnsinnigen als neuer Sitz dienen - als Thron des Herrn.
Die Bedrohung die von den Jüngern ausging, war nun absolut geworden.
Überlebende des Angriffs wurden gefangen genommen und sollten als Drohung dienen. Mit der Aufforderung sich zu ergeben 'und die gerechte Strafe des Herrn zu erdulden' sandten die Jünger des zürnenden Herrn die Bilder von der Hinrichtung der Geiseln. Die Perversion überstieg das Fassungsvermögen der normalen Menschen. Mit einem entsetzlichen chirurgischen Eingriff am Gehirn, wurde den gequälten Leuten das Schlafzentrum zerstört und ihre Leiber - einem entsetzlichen Tod durch Entkräftung ausgesetzt - in Nährtanks gepackt. Sie sollten nicht zu bald sterben, der Tank würde ihr Leben noch über Tage hinauszögern.

Doch die Reaktion auf dieses Ereignis, war nicht die sofortige Kapitulation - und somit das Ende der Menschheit wie wir sie heute kennen. Die Moral der Häuser zerbrach nicht. Im Gegenteil, das kalte Entsetzen vor der Grausamkeit der Jünger trieb sie zu verzweifeltem Handeln. All die Konflikte und Differenzen schienen winzig gegenüber der neuen Bedrohung.

In seltener Einigkeit trafen sich die Anführer der Royalen Häuser im Sitz der Pendragon auf dem Jupitermond Europa und beschlossen eine Allianz aller Welten gegen die Chimera der Jünger des Zürnenden Herrn. Doch war schnelles Handeln geboten. Die heilige Flotte hatte bereits Kurs auf Europa gesetzt. Und das Ziel der Schiffe - die die Tanks mit den Sterbenden Gefangenen als Fanal an ihren Längsseiten befestigt hatten - war klar: Die Zerstörung der neuen Allianz.

In einer ungeahnten Eile verlegten die Häuser so viele Schiffe wie möglich nach Europa - alles was über Bewaffnung verfügte sammelte sich. Und am siebten Tag nach dem Tag des Zorns trafen die Flotten im Orbit des Jupitermondes aufeinander.

Wer den ersten Schuss abgab ist nicht mehr belegt. Doch die Schlacht begann in den frühen Morgenstunden des 1. Januar 2657. Die Macht mit der die Schiffe aufeinanderprallten kam einer Urgewalt gleich. Die Jünger hatten die schwereren Schiffe. Die zahlreicheren, kleinen, unterschiedlichen Schiffe der Häuser kämpften jedoch um ihr Überleben. Zudem waren sie so unterschiedlich geartet, dass sich die Feinde kaum auf sie einstellen konnten.

Der Pendragonpalast und viele oberirdische Bauten auf der Oberfläche wurden von Trümmern zerstört und noch heute wird Europa von Wrackteilen umkreist. Über zwei Tage zog sich das Töten und Sterben hin. Zwei Tage, in denen es auf Europa nicht Nacht wurde, zwei Tage in denen die größte militärische Macht, die jemals von der Menschheit aufgeboten wurde, sich gegenseitig zerrieb.

Wie viele Millionen Soldaten und Besatzungen verbrannten, erstickten oder im leeren Raum erfroren weiß heute niemand genau. Gegen dieses Gefecht nahmen sich die Kriege der Vergangenheit unbedeutend aus. Am Abend des zweiten Tages fielen die letzten Schüsse - das Flaggschiff der Invasoren stand in Feuer und floh mit schwersten Schäden, abgeschirmt von einigen kleineren Schiffen.

Doch auch von den Verteidigern waren nicht mehr viele Schiffe verblieben. Zwei Großkampfschiffe und vielleicht zwei Dutzend kleinere Schiffe verfügten noch über funktionsfähige Maschinen und Waffensysteme.

Diesen Kampf hatte keine Seite gewonnen. Er endete, weil keine Kämpfer mehr da waren, die ihn weiterführen konnten.




Letzte Änderung am 27.2.2021 um 09:12:22 Uhr von Eric